„Zuhause sein – Zuhause gestalten“
Gemeindekonzeption der Evangelischen Kirchengemeinde Werdohl
I. Was will die Evangelische Kirchengemeinde Werdohl mit einer Gemeindekonzeption?
Die Evangelische Kirche von Westfalen steht vor Übergängen. Das betrifft alle Gemeinden und Kirchenkreise, Einrichtungen und Werke. Niemand in der Kirche kann sich den Veränderungs-prozessen entziehen. Alle haben sich ihnen in ihrer jeweiligen Situation zu stellen. Das bedeutet: Auch wir stehen vor der Entscheidung, diese Prozesse passiv über uns ergehen zu lassen oder sie aktiv zu gestalten.
Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Werdohl hat sich als Gemeindeleitung für die aktive Gestaltung entschieden. Eine gemeinsam erarbeitete Konzeption wird der Kirchengemeinde helfen, ihr Profil zu schärfen und Klarheit über die notwendigen zukünftigen Wege zu bekommen. Wir als Kirchengemeinde möchten möglichst vielen Menschen in Werdohl ein Zuhause bieten.
Die Gemeindekonzeption dient dem Presbyterium, den Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen als Orientierungshilfe für Leben und Arbeit innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Werdohl. Menschen aus Werdohl haben sich seit dem Frühjahr 2008 an der Entstehung der Gemeindekonzeption in Projektgruppen, an Werkstatt-Tagen und Sitzungen beteiligt. Eine vom Presbyterium beauftragte Steuerungsgruppe hat die Entstehung der Gemeindekonzeption gemeinsam mit Pfarrer Kuno Klinkenborg (Amt für missionarische Dienste) begleitet und koordiniert.
II. Unser Auftrag - siehe unter Aufgabe
III. Zuhause sein – Zuhause gestalten
Mit unserem Leitbild „Wir freuen uns über das Zuhause bei Jesus Christus“ meinen wir die Werdohler Gemeinde, aber auch ein Zuhause, das wir bisher nur erahnen können. Wir glauben daran, dass alles in dieser sichtbaren Welt nur vorläufigen Charakter hat. Gemeinde als Zuhause ist für uns nicht das Ziel, sondern ein Rastplatz auf dem Weg in unser Zuhause bei Jesus Christus.
Jesus Christus ist das Zentrum des christlichen Glaubens. Durch ihn dürfen wir in das Haus Gottes eintreten.
Wir sind „nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Epheser 2,19).
Bei Gott hat unsere Seele ein Zuhause gefunden und darf zur Ruhe kommen. Dieses Zuhause möchten wir mit anderen teilen.
Von daher soll die Kirchengemeinde Werdohl ein Ort sein, an dem Menschen das Zuhause sein bei Jesus erleben können. Gemeinde in dieser Welt ist immer auch Abbild dieses ewigen Zuhauses, wie wir es mit unseren Mitteln und Fähigkeiten bauen können.
In den Gruppen, Kreisen, Gottesdiensten, und Veranstaltungen sollen Menschen durch Jesus spüren und erfahren, dass sie bei Gott zuhause sein können. Gewohnte Angebote wie Frauenhilfe, Konfirmandengruppen, Chor- und Jungscharstunden bieten dazu die Gelegenheit. Aber auch unsere Konzerte, Arbeitsgruppen, Krankenbesuche, Jugendevents und vieles andere finden in seinem Haus statt und laden zu ihm ein. Unsere Gemeinde ist so vielgestaltig wie die Menschen, die zu ihr gehören.
Wir möchten Gemeinde so gestalten, dass Menschen Gemeinschaft erleben, Ruhe finden und allein oder gemeinsam Gott begegnen können. Hier finden sich Menschen, die einander willkommen heißen, Lasten gemeinsam tragen, zusammen lachen, weinen und arbeiten. Alle sind eingeladen, ihre Gaben und Talente, Kreativität und Wissen, Kräfte, Zeit und Geld einzubringen, um am sichtbaren Haus Gottes in dieser Welt mit zu arbeiten und die Menschen dorthin einzuladen.
Gemeinsam ist allen Orten, an denen Gemeinde ein Zuhause bietet, dass der Hausherr Gott ist, der sagt:
„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“ (Matthäus 11, 25).
IV. Woher kommen wir ?
Seit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1101 sammelte sich die Siedlung Werdohl um eine christliche Kirche, die Kilianskirche. Unter Pfarrer Laurentius Kettler wurde die Gemeinde 1573 durch freie Entscheidung evangelisch-lutherisch. Von 1613 bis 1852 existierte daneben eine kleine evangelisch-reformierte Gemeinde.
Nach dem verheerenden Stadtbrand vom 2. November 1822 fanden beide Bekenntnisse beginnend mit Pfarrer Friedrich Kessler (luth.) 1830 zum gemeinsamen Abendmahl und 1852 zur vollen Kircheneinheit zurück.
Nach der Fertigstellung der Ruhr-Sieg Eisenbahn 1865 wuchs Werdohl schnell . So entstand 1866-68 die neugotische Christuskirche mit über 600 Sitzplätzen - bis heute ein Wahrzeichen der Stadt.
Die Ev. Kirchengemeinde begründete die Werdohler Schulen und 1891 als evangelische Stiftung auch das Werdohler Krankenhaus. Beides wurde von der politischen Gemeinde übernommen (1892 und 1912) und weitergeführt. Werdohl war damals zu über 75% evangelisch. 1909 entstand die große St.Michaelskirche für die wachsende katholischen Gemeinde.
Seit 1912 hat auch Eveking einen eigenen evangelischen Pfarrer. Am 4. November 1956 wurde die Friedenskirche eingeweiht, deren Bau durch zwei Kriege verzögert worden war.
Nach dem 2.Weltkrieg entstanden durch Zuzug vieler Flüchtlinge neue Siedlungen mit jeweils 2000 -3000 Menschen in Ütterlingsen, auf der Königsburg und in Pungelscheid. Für sie wurde 1962 in Ütterlingsen das Martin-Luther Gemeindehaus eröffnet, 1966 die Kreuzkirche Königsburg und 1971 das Paulus-Gemeindehaus in Pungelscheid. An alle Stellen wurden eigene Geistliche berufen.
Die Ev. Kirchengemeinde unterhielt lange Zeit eine eigene Diakoniestation und zwei Kindergärten (am Kirchenpfad 2005 geschlossen und auf der Königsburg bis heute als Familienzentrum Arche Noah weiter geführt).
Seit Mitte der 80er Jahre gingen durch Automatisierung und Stilllegungen in Werdohl mehrere Tausend Arbeitsplätze verloren, die Bevölkerung schrumpfte um ein Viertel. Die Ev. Kirche verlor in 30 Jahren über die Hälfte ihrer einstmals über 15.000 Gläubigen. Statt 75% der Werdohler (um 1970) sind 2010 noch 36% der Einwohner evangelisch, 22% katholischen und 39% muslimischen und 2% anderen Glaubens bzw. ohne religiöses Bekenntnis.
V. Wo stehen wir heute, was fordert uns heraus?
Allgemeiner Bedeutungsverlust von Kirche
Wir leben in einer Zeit, in der die Bedeutung von Kirche und christlichen Traditionen beständig abnimmt. Dies ist in Werdohl in besonderer Weise zu spüren, weil hier der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung neben der beständig anwachsenden Bevölkerungsgruppe der Muslime abnimmt. Das wirkt unmittelbar in unseren Lebensalltag hinein. Immer öfter werden in den Kindergärten und Schulen keine christlichen Feste mehr gefeiert oder traditionelle Anlässe umbenannt. So wird aus einem bisher veranstalteten Weihnachtsmarkt ein Wintermarkt, immer seltener werden Gottesdienste zur Einschulung oder im Rahmen von Schulabschlussfeiern gefeiert.
Die Frohe Botschaft und christliche Werte bewusst im Alltag leben
Aus unserem Glauben an Gott und Jesus Christus heraus üben wir christliche Nächstenliebe und setzen uns für den Erhalt sowie die Weitergabe unserer Tradition an nachfolgende Generationen ein. Wir leisten Hilfe für benachteiligte Menschen und sind nach Kräften bemüht, unser Engagement weiter auszubauen.
Wir predigen das Evangelium Jesu Christi und vermitteln so den Menschen Hoffnung, neu Kraft für ihren Lebensalltag und ein Ewiges Zuhause bei Gott. Wir ermutigen uns gegenseitig, offen und entschieden zu unserem Glauben und unseren christlichen Werten zu stehen und sie für alle sichtbar authentisch zu leben. Wir wollen Menschen in unserer Stadt für Jesus Christus gewinnen und sie davon überzeugen, dass es der Stadt Bestes ist, auf Gottes Wort und seine Gebote zu hören und ihnen zu folgen.
In diesem Sinne ist es uns ein Anliegen, dass christliche Positionen in die Entscheidungsprozesse unserer Stadt einfließen. Dafür wollen wir uns gemeinsam mit allen Christen in Werdohl einsetzen.
In der Ökumene gemeinsam in Werdohl arbeiten
Weil uns das Bekenntnis zu Jesus Christus eint, pflegen wir Kontakte zur katholischen Pfarrgemeinde St. Michael und zur Evangelischen Allianz. Gemeinsam gestalten wir mit der katholischen Pfarrgemeinde z.B. den Taize- und Pfingstmontaggottesdienst, ökumenische Bibelwochen und verantworten die Notfallseelsorge und diakonische Projekte. Als Teil der Evangelischen Allianz führen wir z.B. Pro Christ, Jesus House und die Allianz-Gebetswoche durch.
Arbeitsmarkt und soziales Umfeld
Im Zuge der Aufgabe von Produktionsstätten bedeutender Konzerne ist in den letzten Jahrzenten ein großer Teil der Arbeitsplätze in Werdohl verloren gegangen. Werdohl gehört inzwischen zu den armen Städten im Lande. Deutlich wird dies beispielsweise an dem zu erwartende Haushaltsdefizit der Stadt im Jahre 2011 und an der stetig steigende Anzahl von Menschen, die auf Unterstützung durch die Werdohler Tafel angewiesen sind.
Die seinerzeit aus dem Ausland angeworbenen Arbeitskräfte sind in Werdohl heimisch geworden. Der wachsende Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund stellt uns vor allem in Kindergärten und Schulen vor große Herausforderungen. Besonders alarmierend ist zudem die Entwicklung der Gesamteinwohnerzahl Werdohls. Seit 1971 ist sie von 24.907 (Höchststand) auf inzwischen 18.816 geschrumpft, ein Minus von fast 25 %.
Menschen in ihrer Not wahrnehmen
Wir wollen die Menschen in ihrer Not auch zukünftig ernst nehmen und sie mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützen.
Finanzielle Herausforderungen
Der im Zuge des demographischen Wandels in allen Kirchen zu beobachtende Rückgang der Mitgliederzahlen trifft im besonderen Maße die Evangelischen Kirchengemeinde Werdohl. Im Jahr 1975 gehörten ihr ca. 15.000 Gemeindeglieder an, Ende 2010 werden es nur noch 6.800 sein. Zukünftig muss mit einem Verlust von ca. 130 bis 150 Mitgliedern pro Jahr gerechnet werden.
Eine unmittelbare Folge davon ist, dass die Kirchensteuerzuweisungen als Haupteinnahmequelle der Gemeinde in gleichem Maße drastisch zurückgehen. Die Verteilung der Kirchensteuern hängt vor allem von der Anzahl der Gemeindeglieder ab.
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