Warum ein Luxusdampfer in Pinneberg vor Anker ging
"Da ziehen Verrückte ein!" Man war sich sicher, damals, 1935 in Pinneberg, bei der Geburtsstunde des Hotels und Restaurants Cap Polonio. Es konnten wohl nur geistig Fehlgeleitete sein, die in 65 Fuhren vom Pinneberger Hafen Teile des Mobiliars des einst für die Hamburg-Südamerikanische-Dampfschifffahrtsgesellschaft erbauten Luxusliners in das Gebäude des damaligen Hotel Stadt Hamburg schaffen und einbauen ließen. Doch der vermeintliche Wahnsinn hatte Methode, und aus der verrückten Idee ist eine Institution geworden, die weit über Pinneberg hinaus bekannt und beliebt ist. Was dem Drei-Schrauben-Schnelldampfer mit einer Länge von mehr als 200 Metern und einer Geschwindigkeit von 19 Knoten auf See nur 13 Jahre lang vergönnt war, währt an Land nun schon mehr als 75 Jahre. Das Hotel Cap Polonio, mit der zu seiner Zeit vielgepriesenen Einrichtung des Speisesaals der ersten Klasse der Cap Polonio, vermittelt Prunkliner-Atmosphäre der goldenen zwanziger Jahre.
Weshalb die „Cap Polonio“ in Pinneberg endgültig vor Anker ging, ist eine spannende Geschichte. Als Flaggschiff der Hamburg-Süd im Dienst nach La Plata konzipiert, war sie jahrelang das größte Schiff der im Hamburger Hafen beheimateten Handelsflotte und wurde als modernstes und schönstes Schiff im Südamerika-Dienst überhaupt gerühmt.
Die nicht ganz so prächtigen älteren hießen „Cap Finisterre“ und „Cap Trafalgar“. Am 25. März 1914 lief die „Cap Polonio“ bei der Blohm&Voss in Hamburg vom Stapel.
Doch die klassisch Schöne wurde alsbald ein Opfer der Weltwirtschaftskrise. Nicht einmal eine anständige Jungfernfahrt war ihr vergönnt. Es herrschte Krieg, und der schwimmende Palast wurde von der Kaiserlichen Marine beschlagnahmt. Aller Luxus wurde wieder entfernt. Statt dem Vergnügen zu dienen, musste die derart Geschändete unter dem falschen Namen „Vineta“ und bewaffnete mit je vier 15-Zentimeter und 8,8-Zentimeter-Geschützen im Erste Weltkrieg als Hilfskreuzer gegen die Feinde operieren. Dieser Aufgabe war der Dampfer nicht gewachsen. Die „Cap Polonio“ wurde auf Beschluss des Reichstages zu einer Schönheitskur erneut zu Blohm&Voss geschickt, und aus Aschenputtel wurde 1916 wieder die schmucke Königin.
Die technischen Daten der „Cap Polonio“: Baunummer 221 bei Blohm&Voss. Größe:20.576 BRT (vergleichbar der „Fedor Dostojewskij“), 201,8 Meter Länge (vergleichbar der „Europa“), 22,1 Meter Breite. Antrieb: zwei III Expansions-Maschinen und eine Abdampf-Turbine, drei Propeller. Leistung maximal 20.000 PS – 19 Knoten. Passagiere: 1. Klasse 356, 2. Klasse 250, Zwischendeck 949 Reisende. Besatzung: 460 Personen.
Am 16. Februar 1922 schließlich verließ das Schiff den Hamburger Hafen unter dem Kommando von Kapitän Ernst Rolin zum ersten Mal zu einer Triumphfahrt mit Kurs Südamerika. In Viererreihen standen die Schaulustigen vor der Agentur der Reederei in Buenos Aires, um Karten für eine Besichtigung des Schnelldampfers zu ergattern. Die Visite lohnte sich. Der Wintergarten mit Zonen für Raucher und Nichtraucher galt als Sehenswürdigkeit. Die eigene Bordgärtnerei mit Treibhäusern auf dem Bootsdeck lieferte die Blumen für die Dekoration und den Verkauf an Reisende. Da überdachte Schwimmbad zwischen dem ersten und zweiten Schornstein war großzügig bemessen.
Bis 1926 hatte der Renommier-Dampfer 52.000 Passagiere befördert und einen Reingewinn von 2,1 Millionen Mark eingefahren. Nach acht Jahren Einsatz musste er jedoch 1927 der einen Knoten schnelleren „Cap Arkona“ Platz machen.
Er diente kurze Zeit noch als Messeschiff, machte einige Vergnügungsreisen nach Skandinavien und begab sich schließlich im Sommer 1935 auf die letzte Fahrt zur Abwrackwerft nach Bremerhaven.
Zu diesem Zeitpunkt begann der dritte und beständigste Lebensabschnitt der „Cap Polonio“: Ihr mondäner Chic wurde Legende. Noch heute kursieren in Sammlerkreisen und auf Flohmärkten Ansichtskarten des eleganten Luxusliners. Die Bundespost brachte 1977 eine Briefmarke heraus, die den eindrucksvollen Schiffsrumpf zeigte. Otto Olbers, Pinneberger Hotelier und jahrelang leitender Ingenieur auf der „Cap Polonio“ setzte der schwimmenden Schönen der Weltmeere an Land ein Denkmal. Er ersteigerte das Inventar des First-Class-Speisesaals, baute damit seinen Beherbergungsbetrieb aus und nannte ihn fortan „Cap Polonio“.
Olbers und seine Frau Christine begründeten die Tradition eines Nobelhotels, das bis heute und auch in Zukunft ein Familienbetrieb ist und sein wird. Das Haus, das ein einmaliges kulturelles Erbe deutscher Seefahrtsgeschichte offenbart, war für ihn wie seinen Nachfahren eine Herzensangelegenheit. Ein ganzes Jahr war erforderlich, bis die über Elbe und Pinnau verschifften wertvollen Wandvertäfelungen aus Rosenholz, Ledertapeten, Lampen und Heizkörperverkleidungen aus Messing sowie Möbel ihren endgültigen Bestimmungsort erreichten. Die Schiffsglocke und eine der Luxuskabinen der „Cap Polonio“ können außerdem im Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven bewundert werden.
Hildegard und Hermann Harder führten das Haus in zweiter Generation – seit 1986 sind in dritter Generation Ute Harder-Lobe, Michael und Marlies Ostermann (geb. Harder), Roland und Heike Harder und Kay und Kristiane Wulf (geb. Harder) tätig – als vierte Generation übernahmen 2004 Marc M. Ostermann die Küchenleitung und Philipp Harder-Lobe den Rezeptionsbereich.
Quelle: Pinneberg im Wandel, von: Marion Girke; Medien-Verlag Schubert
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